2019 - Lahn


Die diesjährige Herbst-Wanderfahrt des Wachtberger Wander-Verein führte vom 8. bis 11. Oktober 2019 an die Lahn. An der von Gottfried Nagel organisierten Tour nahmen 16 Vereinsmitglieder teil.

 

Anreise und 1. Wandertag

Als Basisstation für die Herbst-Wanderfahrt erwartet uns das Hotel zur Krone in Löhnberg an der Lahn im Landkreis Weilburg. Nachdem alle Teilnehmer eingetrudelt sind, starten wir am frühen Nachmittag bei trübem Wetter - wohlweislich schon mit Regenschirm bewaffnet - zu unserer ersten Schnupperwanderung entlang der Lahn nach Weilburg. Auf halber Strecke beginnt es bereits zu regnen, so dass wir schließlich nass wie die Pudel dort eintreffen.

Unser Ziel in Weilburg ist das seit 1911 bestehende Stadtmuseum, das, nachdem ab 1972 alle Gruben im Lahn-Dill-Gebiet wegen Unrentabilität geschlossen wurden, um ein Schaubergwerk erweitet wurde. Dieses erstreckt sich heute auf eine Länge von 200 m in den Tiefen des Stadt- und Berwerksmuseums. Wir werden bereits zu einer Führung erwartet. Rasch klettern wir - in der Bergmannssprache heißt das "fahren" - auf einer steilen Treppe hinunter und an festgelegten Stationen wird anschaulich erläutert, wie Abbau und Förderung stattgefunden haben. Das Highlight ist ein riesiger Schaufelbagger, der unter ohrenbetäubendem Lärm und Dieselgestank angeworfen wird und seine überdimensionale Schaufel eindrucksvoll auf und ab bewegt. Die Technikfreaks haben ihre helle Freude an dem Geschehen.

Da wir kein geeignetes Café in der Nähe auftreiben können, gönnen wir uns noch einen Blick in den schönen Schlossparkt, bevor wir uns bei immer noch strömendem Regen wieder auf den Rückmarsch machen. Zurück im Hotel finden wir Sieglinde und Werner, die wir unterwegs verloren hatten unbeschadet wieder und haben noch ein wenig Zeit zum Erholen. Mit knurrendem Magen sehnen wir mittlerweile das Abendessen herbei. Wir werden reichlich verwöhnt und verbringen einen anregenden Abend.

 

2. Wandertag

Gestärkt durch ein reichhaltiges Frühstück starten wir um 9:30 Uhr mit den Autos vom Hotel aus zur ersten Ganztagswanderung. Unser Ziel ist heute das Städtchen Braunfels, das von einem auf einem Basaltkegel thronenden Schloss mit zinnernen Turmspitzen beherrscht wird. Das fast 800 Jahre alte Schloss noch immer im Familienbesitz, reich an wertvollen Kunstschätzen und wird von der Familie bewohnt. Wir wollen es auf unserer Wanderung in weitem Bogen umrunden.

Nachdem die Autos auf dem Parkplatz unterhalb der Altstadt geparkt sind, führt uns ein Pfad um die Befestigungsmauer. In den Hochbeeten entlang des Weges lassen nur noch die Schildchen erkennen, welche Heilpflanzen hier gedeihen sollten - Unkraut macht sich breit und hat sie fast völlig überwuchert. Wir umrunden den Berg und gelangen in die Stadt. Hier werden in einer Drogerie noch schnell vergessene Utensilien, Zahnpasta etc., erstanden und weiter geht es durch den Schlosspark mit seinem schönen alten Baumbestand abwärts ins Tal. Am Ortsrand laufen wir an hübschen Häusern mit gepflegten Vorgärten wieder bergan und erhaschen von Zeit zu Zeit einen Blick auf das nun schon etwas entfernt liegende Schloss Braunfels. An abgeernteten Äckern vorbei kommen wir schließlich in einen Laubwald. Auf zunächst breitem, gerade verlaufenden Weg gehts in Grüppchen voran und nach einiger Zeit taucht vor uns der Turm der Ruinen Philippstein auf. Die Burg wurde Ende des 14. Jahrhunderts vom Grafen Philipp von Nassau erbaut und diente zur Absicherung seines Territoriums und der ringsum liegenden Bergbauminen. Als sie im 16. Jahrhundert ihre strategische Bedeutung verlor, verfiel sie und wurde teilweise als Steinbruch für das darunter liegende Städtchen genutzt. Von der Anlage blieben nur der Bergfried und eine begehbare Schildmauer erhalten. Wieder haben wir einen herrlichen Blick auf das Schloss, von dem wir jetzt durch ein Tal getrennt sind.

Wir bekommen mit, dass bei einem Handy ununterbrochen Nachrichten einploppen. Neugierig geworden erfahren wir, dass Doris heute ein rundes Lebensjahr vollendet. Das ist natürlich der Augenblick für ein Ständchen, das wohlklingend über die hessischen Höhen klingt.

Nun steigen wir in den kleinen Ort hinab. Der einzige attraktive Blickpunkt ist die winzige evangelische Kirche mit ihrem doppelstöckigen achteckigen Türmchen, auf dessen Haube ein goldfarbener Wetterhahn thront. Die Uhr zeigt gerade 1/4 vor 12. Weiter geht es entlang des Flüsschens, das mal neben uns verläuft und oft tief unterhalb des Weges liegt. Der Waldboden glänzt feucht und auf morschen bemoosten Baumstämmen machen sich Familienverbände von Stockschwämmchen breit. Wir verlassen den Wald und gelangen an den Streuobstwiesen vorbei in die kleine Ortschaft Bermbach. Dort, mitten im Ort an einem Brunnen, finden wir endlich den geeigneten Platz für unsere Mittagsrast. Das Picknick ist zwar ein wenig spartanisch - aber alles, was an Essbarem vorhanden ist, wird geteilt und für jeden von uns findet sich ein Plätzchen zum Ausruhen. Plötzlich spüren wir Nässe von oben, der Himmel ist trüb und Regen nicht ausgeschlossen. Die rasch aufgespannten Schirme drohen dem Regen und tatsächlich lässt er sich beeindrucken und der Spuk ist augenblicklich vorbei.

Es ist uns gewiss, dass am Ende der Wanderung noch ein Aufstieg zum Schloss droht. Unnötigerweise beginnt es heftig zu regnen und diesmal nützt das Drohen mit den Schirmen nichts, der Regen hat uns endgültig im Griff. Es gilt noch einen Bach und eine stark befahrene Straße zu überqueren, bevor wir ziemlich durchnässt die Serpentinen des Schlossberges erklimmen. Oben angelangt geraten wir in den Innenhof des Schlosses, an dessen anderer Seite eine breite und flache, auch für Pferde begehbare Treppe nach unten auf den malerischen Marktplatz führt. Dort im "Gasthof am Turm" ist für uns ein Tisch reserviert. Eine Tafel an der Eingangstür verspricht "Heiße Waffeln mit Sauerkirschen". Sieglinde und Werner sind auch eingetroffen und werden freudig begrüßt. Eine freundliche Kellnerin fragt nach unseren Wünschen. Fast alle gieren schon nach den Waffeln - aber wir erfahren - das war die Speisekarte von gestern! Wir einigen uns dann auf das, was es heute gibt: „Apfelstrudel“ — na ja, auch gut!

Anne, die Süßspeisen verachtet buhlt um jemanden, der einen Flammkuchen mit ihr teilen möchte - leider ohne Erfolg. Aus lauter Verzweiflung holt sie sich beim Bäcker nebenan kurzentschlossen zu ihrem alkoholfreien Weizen eine Salzbrezel. Am Ende sind zum Glück alle einigermaßen zufrieden!

Als die Kaffeetafel beendet ist, hat der Regen aufgehört und auf dem Weg zum Auto zeigen sich am Himmel über dem Schloß sogar blaue Wolkenlücken. Schnell sind wir auf die Autos verteilt und fahren zum Hotel zurück. Noch duschen und umziehen und Spannung, was wohl heute auf der Speisekarte stehen mag!

Doch, bevor das Speisen beginnt, spendiert das Geburtstagskind ein Gläschen Sekt für alle. Wir lassen Doris hoch leben und bedanken uns natürlich noch einmal mit einem Ständchen.

Einige Wanderfreunde sind schon aufgeregt, denn sie möchten nicht das am Abend stattfindende Fußballspiel Deutschland/Argentinien verpassen. Es wird im Fernsehen übertragen und dazu bietet sich im Speiseraum die Möglichkeit! Klar wird, dass dieser Abend Geschlechter getrennt verlaufen wird.

Gottfried  bringt sich nach dem Essen gleich in günstige Position. Vor noch schwarzem Bildschirm hat er sich seinen Stuhl schon erwartungsfroh zurechtgerückt!

Für nicht interessierte Damen werden in einem Nebenraum ein paar Tische zusammengeschoben. Dort findet sich ein kleiner Kreis zusammen. Man plaudert in gemütlicher Runde über dies und das und aus dem Nähkästchen - und lernt sich beim Wein ein bisschen besser kennen. Zwischenzeitlich leistet uns auch Ernst ein wenig Gesellschaft und berichtet über den Stand der Dinge. Das Endergebnis ist günstig für Deutschland, und so endet auch dieser Abend für alle zufriedenstellend.

 

3. Wandertag 

Tageswanderung Kubach - Edelsberg - Freienfels - Kubach - Tiergarten Start um 9:30 Uhr mit den Autos vom Hotel zum Parkplatz Kubach. Die Einfahrt zum Parkplatz ist schlecht ausgeschildert, so dass wir sie verpassen und eine Extraschleife bis zur nächsten Wendemöglichkeit einlegen müssen - den Rattenschwanz der nachfolgenden Autos im Gefolge!

Das Wetter verspricht trocken zu bleiben und wir sind hoch motiviert. Gegen den frischen Wind kann man sich schützen. Heute kommen die Mützen zum Einsatz. Wir laufen los, lassen den Wald links liegen und blicken in die freie, anmutig hügelig geschwungene Landschaft. In einer Streuobstwiese liegt eine schnuckelige Picknickhütte und automatisch denken alle an Monika. Für eine Rast ist es aber noch zu früh und es geht weiter!

Bald kommen wir an eine Wegkreuzung und das Überlegen geht los: Welcher Weg ist wohl der richtige? Wir entscheiden uns für den nach rechts, bekommen aber Bedenken, kehren um und nehmen den, der geradeaus führt. Die Gruppe zieht sich weit auseinander, weil die Wanderführer immer wieder stehen bleiben und ihre technischen Hilfsmittel mit der Karte vergleichen. Irgendwann kommt das Kommando: „Alle zurück“ und der zu Anfang eingeschlagene Weg erweist sich doch als richtig. Endlich kommen wir aus dem Wald wieder in die offene Landschaft. Vorbei an einem Bauernhof mit offener Stallhaltung und riesigen stinkenden geöffneten Futtermieten erreichen wir das Örtchen Edelsberg. Als Indiz für die frühere Erzgewinnung in der Region ist am Dorfplatz eine Lore abgestellt.

Hans plagen Knieprobleme und er beschließt, uns nicht weiter zu begleiten. Er erkundigt sich nach einer Taxe und nette Dorfbewohner zögern nicht, ihn schnell über den Berg zu seinem geparkten Auto zu fahren.

Wir wandern weiter und überqueren eine glitschige Bücke des Flüsschens Weil Richtung Freienfels. Dort befindet sich am Bahnhof ein stillgelegter Eisenbahnwagen, der als Restaurant hergerichtet wurde - auch Außengastronomie wäre möglich, wenn es denn geöffnet hätte und das Wetter wärmer wäre. So laufen wir weiter, bis wir eine geeignete Möglichkeit zur Rast finden. Eine Wegkreuzung mit aufgestapelten Baumstämmen bietet sich an. Hier stärken wir uns vor den heute noch kommenden Herausforderungen - aber davon ahnen wir ja noch nichts!

Der Weg führt uns weiter durch überwiegend Laubwald. Rechts und links sprießen Pilze aus dem Boden. Plötzlich lenkt uns das Wanderzeichen ab vom breiten Wanderweg. Steil geht es bergab auf einem feuchten, sehr engen und rutschigen Pfad. Links befindet sich der Hang und rechts liegt steil unten ein Bach. Beinahe auf allen Vieren geht es hinunter. Einer nach dem anderen rutscht und stolpert bergab. Anne bewältigt den Weg nur durch das gute Zureden von Gottfried, während Gertrud es im Alleingang durch die Büsche versucht. Wir sind glücklich, dass wir das Abenteuer heil überstehen, als schon die nächste Herausforderung winkt. Jetzt gilt es das im Tal plätschernde Flüsschen zu überwinden. Wir stellen fest, dass der einzige Übergang auf weiter Flur mit weiss/roten Latten verbarrikadiert ist. Das einst vorhandene Brückchen ist vollständig abmontiert und nur noch ein ca. 35 cm breiter Betonstreifen zum anderen Ufer ist vorhanden. Zum Glück mit einem einigermaßen belastbaren Geländer an der linken Seite. Jutta und Uli peilen die Lage und beschließen einstimmig, da müssen wir rüber!

So übersteigt also einer nach dem anderen die Sperre. Wer lange Beine hat ist hier im Vorteil. Gottfried  bemüht sich erneut um Anne. Auch sie schafft es hinüber - auch wenn ihr die Anspannung ins Gesicht geschrieben steht - und wird von Uli in Empfang genommen, der auch den anderen Mutigen schon geduldig geholfen hat. Als Letzter erreicht schließlich Ernst das rettende Ufer.

Nun geht es eine Weile am Fluß entlang, wir müssen die Straße überqueren und biegen wieder in einen Wald, der Weg steigt steil an. Auf der Höhe liegen vor uns Wiesen und in der Ferne eine kleine Ortschaft. Riesenschirmlinge säumen den Wanderpfad. Dann weist uns ein Wanderzeichen nach rechts zu unserem Ziel, dem Parkplatz in Kubach.

Noch einmal geht es steil hinauf und wir bewundern eine weit ausladende Kiefer vor blauem weißwolkigen Himmel. Noch ein paar hundert Meter und wir haben den Parkplatz erreicht. Hier treffen wir Hans, Sieglinde und Werner wieder und alle gemeinsam fahren wir zu dem hübschen Restaurant im Tiergarten. Ein Brautpaar feiert seine Hochzeit und obzwar wir heute für die Wirtsleute nur die 2. Geige spielen, werden wir doch recht flott bedient und genießen Kaffee und Kuchen.

Die Heimfahrt verläuft dann zügig und zum Abschiedsmenü trifft man sich zur verabredeten Zeit. Frau Wirtin ist redselig und spendiert für alle einen „Willi mit Honig“, der köstlich mundet. Man kann ihn auch im Haus erwerben!

Der schöne Abend klingt langsam aus, aber heute verabschiedet sich rasch einer nach dem anderen, bis nur noch ein harter Kern zurück bleibt. Der Tag hat wohl doch manchem kräftemäßig einiges abverlangt.

Am nächsten Morgen folgt noch das Frühstück und danach trennen sich unsere Wege. Drei wunderschöne Wandertage liegen hinter uns. Es war eine harmonische und anregende Zeit.

 

Uschi Liebchen